Warum der Rock nicht mehr rockt

"Those who cannot remember the past are condemned to repeat it."
george santayana


Die letzten Entwicklungen hat die Rockmusik schon vor 20 Jahren hinter sich gebracht, alles was danach kam war leider nur noch redundantes Epigonentum. Heute ist manches ausdrücklich Retro, anderes gibt sich besonders frisch ohne es zu sein.
Heute werden uns aller Jubeljahre neue Wundergruppen, meist von Übersee, in Feuilleton und Fachpresse in die Ohren gehypt: The Next Big Thing! wartet schon hinter der nächsten Ecke und kann mittlerweile am Reißbrett entworfen werden. Der zukünftige Geschmack ist berechenbar geworden, weil man einfach nur chronologisch vorgehen muß. Bekam der Grunge der frühen 90er noch seine Vitalität von den 60ern und 70ern eingehaucht, waren es in den letzten drei, vier Jahren vor allem die 80er die den Ton machten.
"The Darkness" mit ihrem Kastratenbombast wiesen da schon klar in die richtige (absehbare) Richtung, auch wenn sie jetzt kein Thema mehr sind.
Es wird nicht mehr lange dauern, dann haben wir die Spielarten der 80er durch und dann wird es schon enger für den Rock. Dann ist schon die erste Retro-Welle, der Grunge dran. Wie es wohl in 20Jahren klingen wird, wenn die aktuellen Retro-Hypes wieder aufgegriffen werden?
Meta-Meta-Musik? Oder ist das Kapitel "Rockmusik" dann endlich auch gegessen?
Gefeiert wird die durchlauferhitzte Rockmusik eigentlich nur noch von Musikmagazinen [und im Feuilleton der FAZ ], die qua Werbung von der panischen Musikindustrie bezahlt werden, welche selbst dem Rock als Geldmaschine einiges zu verdanken hat. Zum schlimmen Beispiel den Stadion-Rock und U2.

Woran aber ist denn der Rock nun eigentlich gestorben? Warum finden Innovationen mittlerweile nur noch anderswo statt? Warum kommt einem alles in der aktuellen Rockmusik vor, wie "schonmal gehört"? Traut sich niemand, was neues zu machen, oder ist vielmehr schon alles gemacht, was das Rock-Instrumentarium hergibt? Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang (und wahlweise noch Orgel/Synthie) und das war´s?
Eine fundamental neue Art, Gitarre zu spielen, hat seit Jimi Hendrix niemand mehr erfunden (natürlich ging´s noch schneller, filigraner, brachialer, ausdrucksstärker, aber die gesamte Entwicklung der elektrischen Gitarre hat Jimi Hendrix schon 1968 vorgezeichnet). Der Rhythmusgruppe, also dem Drum´n Bass, und dem "Gesang" ist seit dem Deathmetal der frühen 90er, mit seiner absoluten Pervertierung aller Ausdrucksmöglichkeiten, auch nichts mehr hinzuzufügen. Außer vielleicht Elektronik und ein Püps-chen Jazz, wie im Postrock durch dessen profilierteste Vertreter wie "Mogwai", "Tortoise" und hierzulande "ToRococoRot" oder gerade noch "Kreidler" [um mal eine Skala von "rockig" bis "nicht rockig" aufzumachen].
Aber auch die Dekonstruktion des Postrock ist ja in Wirklichkeit nur geborgt. Vorgemacht haben das nicht zuerst die Krautrocker in den späten 60ern. Bands wie Can, Faust, Embryo und die ganz frühen Kraftwerk haben damals schon die Strukturen der Rockmusik freige- und zerlegt und damit den Punk überhaupt erst ermöglicht.
Der Punkrock selbst wiederum hat der Musik lediglich dahingehend gedient, dass er anschaulich demonstriert hat, wie auch unmusikalische Menschen, allein dadurch dass die technische Ausrüstung erschwinglich wird, Musiker sein können.
Naja gut, ist ja auch was.
Jedenfalls äußern sich heutzutage kreative und begabte junge Musiker aus freien Stücken nicht mehr durch Rockmusik. War Rockmusik jahrzehntelang das Aushängeschild von Jugendkultur schlechthin, bedeutet sie der konsumorientierten Jugend von heute unweigerlich entweder "die gute alte Zeit" oder eine Art "Hängen-geblieben-sein". Rockmusik drückt aber längst kein Zeitgefühl mehr aus und hat als Lebensentwurf ausgedient. Rock ist schon lange nicht mehr authentisch, sondern rückwärtsgewandt und anti-modern. Sich mit Rockmusik identifizieren bedeutet mittlerweile, die Augen von der Realität abzuwenden.
Wobei Rock ja schon immer auch Flucht war: "Sex, drugs and rock´n roll!"
Ohren zu und durch.
laugh out loud (Gast) - 2007/02/23 18:57

eine Liebe zur Musik

War schön, als wir einfach nur Musik gehört haben!

seattle-felix - 2007/02/26 12:49

britney macht aber gerade keine musik mehr, darum beschäftigen wir uns lieber mit dingen, die etwas mehr tiefgang haben.
HeilixFlashle (Gast) - 2007/02/27 00:26

rock is not dead, it just smells funny!

moinsen martin! mein titel is eigentlich von nem horace silver-album geklaut...(jazz is not dead...); wie is das eigtl. mit jazz, wird da auch nix mehr weiterentwickelt, sondern nur auf der stelle getreten? grützli aus ex-Po-city

[seattle-]martin (Gast) - 2007/02/28 00:10

jazz ist schon viel länger "tot".

beim jazz sind schon seit etlichen jahren die aasverwerter am start [das geht schon by miles davis und seiner elektrischen phase so ende der 60er los und hält bis jetzt an] und überführen einzelteile auf postmodernem wege in gegenwärtige musik. der erhoffte effekt beim hörer ist dadurch immer ein rückwärtsgewandtes, erfurchtsvolles: "ah, das ist ja jazz!" manchmal funtionierts ganz gut, meistens wirkt es berechnend und aufgesetzt. beim rock hat das, meiner ansicht nach, anfang der 90er begonnen und wird gerade penetrant.
der hauptunterschied zwischen jazz und rock ist allerdings der, dass dem jazz nicht dieser unbedingte jugendlichkeitswahn anhaftet [alt-rocker sind doch eigentlich hängengebliebene berufsjugendliche, oder?] und dadurch die akzeptanz im "establishment" viel größer ist.
[auf dieser reflexiven ebene, oh yes!] interessant finde ich die "zwischen-ebene" des blues, wo schon seit menschengedenken nix mehr passiert, einzelne merkmale aber nicht tot zu kriegen sind [siehe hiphop].

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